Radballbericht von Heinz-Dieter Kuhlmann

Weltmeister Altdorf wackelte, fiel aber nicht

Nach 2011 war der RSV Großkoschen zum 2. Male Ausrichter in der idealen Seesporthalle Ausrichter eines Weltcupturniers, nach dem Start im Jahre 2002 mit der 100. Austragung sogar ein Jubiläumsturnier. 10 Mannschaften aus 7 Nationen, darunter mit Hongkong-China erstmals in Brandenburg eine Mannschaft aus Asien am Start. Nach der bereits länger feststehenden Absage des RV Gärtringen (dafür spielte der DM-Dritte RVS Obernfeld) sagte am Freitag um 15.00 Uhr auch noch der 2. offizielle BDR-Starter SV Ehrenberg aus privaten Gründen ab. So kam RMC Stein noch als weitere Reservemannschaft zum Zuge: Bernd Mlady „Obwohl wir seit 3 Wochen im Training pausieren, einen Weltcup lassen wir uns nicht entgehen !“ 21 Stunden nach dem Anruf standen sie in Großkoschen auf der Fläche.

Nach diesen personellen Veränderungen war natürlich der Weltmeister RS Altdorf der absolute Favorit. In seiner Vorrundengruppe schien alles nach Plan zu verlaufen, VC Cronenburg wurde standesgemäß 8:2 geschlagen, RV Dornbirn „quälte“ sich mit Routine gegen VC Cronenburg und VD Pilsen jeweils über ein 2:0 bei Halbzeit zu mühevollen 3:2-Dreiern und RMC Stein schien die Nr. 2 mit dem 9:4 über VD Pilsen zu werden. Verkehrte Welt dann im direkten Duell: RS Altdorf dominierte die 1. Hälfte und hatte mit 6:1 Toren die Sache scheinbar abgehakt. Aber RMC Stein gab nicht auf und nutzte die nachlassende Konzentration der Eidgenossen mit viel Mut aus und schaffte tatsächlich noch den Punktgewinn mit 6:6 Toren. Plötzlich war RV Dornbirn Tabellenführer nach je 2 Spielen und das war der nächste Gegner für RS Altdorf. Der Weltmeister ging zwar immer wieder in Führung, aber die Vorarlberger kämpften wie lange nicht gesehen und glichen immer wieder aus, vehement mit der Faust jubelnd. Völlig verdient in einem hochklassigen Match ging man mit 4:4 auseinander. Das 2. remis wurde plötzlich für RS Altdorf sehr gefährlich, denn man hatte das Erreichen des Halbfinales nicht mehr selbst in der Hand. Im letzten Spiel der Vorrunde hätten sich nämlich RV Dornbirn und RMC Stein mit einem unentschieden 7:7 oder höher gegenseitig ins Halbfinale hieven können. Bis zur Halbzeit (1:1) war das Spiel offen, nur es fehlten die benötigten viele Tore, also war klar, daß RV Dornbirn auf jeden Fall gewinnen muss. Gallig um jeden Ball fightend brachte sich RV Dornbirn auf die Siegerstraße und machte mit 4:1 Toren sogar den Gruppensieg perfekt.

So spannend war es in der anderen Vorrundengruppe allerdings nicht. Hongkong-China war ohnehin ohne Chance und war nach 3 Trainingsturnieren im Verlaufe der Woche in Württemberg hier im Weltcup kräftemäßig sichtbar im Grenzbereich, nur darauf bedacht, zweistellige Niederlagen zu vermeiden. SC Svitavka spielte für Pavel Loskot mit Ersatzmann David Richtr, die sich durchaus zu steigern wusste und SNA Gent verlor das Schlüsselspiel gegen das Heimteam vom RSV Großkoschen gleich zu Beginn mit 5:6 Toren. Gruppenfavorit RVS Obernfeld holte seine 3 Pflichtsiege für das Halbfinale mit wenig Problemen, RSV Großkoschen musste hier mehr Kraft lassen, aber war nach 2 Siegen wie vor 2 Jahren auch bereits im Halbfinale. Absolute Hochstimmung in der Halle beim Duell 2. Liga gegen 1. Liga RSV Großkoschen gegen RVS Obernfeld. Der Zweitligist hielt voll dagegen und am Ende wurde ein 3:3 bejubelt, nach den 20 Vorrundenspielen war somit ein 4-Meter-Schießen um Platz 1 erforderlich. Gleich beim 1. Schuß scheiterte Andre Kopp am Aussenpfosten, das gab den Ausschlag zum Penalty-Sieg von Großkoschen.

Im Spiel um Platz 9 und 10 ließen die Franzosen aus Cronenburg die sympathischen Spieler aus Hongkong-China mitspielen und begnügten sich „nur“ mit einem 5:1-Sieg, wie alle Mannschaften eine faire Geste.

Im Tschechen-Duell SC Svitavka gegen VD Pilsen um Platz 7 und 8 war es lange ausgeglichen, erst in den beiden letzten Minuten erzielte SC Svitavka die 3 Treffer zum verdienten 7:4-Sieg.

Im Spiel um Platz 5 und 6 gab es mit 6:3 Toren zugunsten der Belgier gegen RMC Stein durchaus eine Überraschung. Bei den Mladys war nach dem verpaßten Halbfinale der Akku leer und SNA Gent ehrgeizig genug, dem deutschen Spitzenteam mit einem klugen Abwehrverhalten den Zahn zu ziehen.

Weltmeister gegen 2. Bundesliga hieß es im 1. Halbfinale zwischen RS Altdorf und RSV Großkoschen. Nach den Schrecksekunden am Ende der Vorrunde war der Champion sofort hellwach und nach 40 Sekunden mit 2:0 zugunsten der Schweizer war das Spiel bereits entschieden. Mehr für die Zuschauer ließ Altdorf wenige Sekunden vor Schluss nur den Ehrentreffer zum 1:7 für RSV Großkoschen zu.

Hier gab es kaum Spannung, aber die gab es im 2. Halbfinale zwischen RV Dornbirn und RVS Obernfeld, und was für Aufreger. RV Dornbirn war super eingestellt, führte zur Pause 2:1, später 3:1 und 4:2 und sah 12 Sekunden vor Schluss wie der sichere Sieger aus. RVS Obernfeld hatte auf 3:4 verkürzt und es gab Freischlag in Dornbirns Hälfte in der Nähe der rechten Bande. Andre und Manuel Kopp stellten sich 4 Meter vom Ball entfernt mitten ins Spielfeld. RV Dornbirn spielte den Freischlag zur Seitenbande und Martin Lingg wollte den Ball dort über die wenigen Sekunden blocken. Manuel Kopp fuhr voll in die Bande hinter dem Hinterrad von Martin Lingg, die ca. 30 cm wegrutschte und im gleichen Moment schnappte sich Andre Kopp durch diese Bandenfreiheit den Ball vom Vorderrad, vollführte mit dem Ball eine halbe Drehung nach hinten und spitzelte die Kugel 3 Sekunden vor Schluß noch ins Dornbirner Tor. 4:4, die Halle stand kopf. Aber das Spiel war noch nicht zu Ende, denn mit diesem remis war ein Penalty-Schießen erforderlich. Nach 4 Schüssen pro Mannschaft stand es 2:2, jetzt ging es in Einzelschritten weiter. Martin Lingg verschoß seinen 3. Versuch in dieser Serie, Manuel Kopp konnte das Finale perfekt machen. 2 x wehrte Martin Lingg zwar ab, aber der Kommissär entschied, daß er sich jeweils zu früh nach vorn bewegt hat. Reklamationen war die Folge und Dornbirns Betreuer mußte die Halle verlassen, welch ein Nervenspiel und der Sieger hieß Manuel Kopp, der zum entscheidenden 7:6 vorn oben versenkte.

Weiterhin ehrgeizig ging RV Dornbirn gegen RSV Großkoschen ins „kleine Finale“ um Platz 3. Die engagierte Leistung an diesem Tage, ohne Niederlage in regulärer Spielzeit wurde belohnt mit einem souveränen und nie gefährdeten 7:1-Erfolg über das Heimteam. Hervorzuheben ist hier Martin Lingg, der sich sportlich fair verhalten hat, als er eine Entscheidung des Kommissärs zu seinen Ungunsten korrigierte und das im Halbfinale gegen RVS Obernfeld, als es noch bei 0:0 um die wichtige 1. Führung in diesem Spiel ging.

Das Jubiläumsendspiel um den 100. Weltcupsieg zwischen RS Altdorf und RVS Obernfeld sollte eine absolut einseitige Sache werden. Die Kopps versuchten alle Varianten des Angriffs, aber sie fanden ihren Meister in weltmeisterlicher Manier. RS Altdorf gelang alles, Dropp-Kick von Roman Schneider oder technisch versierte Heber aus der eigenen Hälfte, aber auch haargenaue Knaller von Dominik Planzer unter die Latte: 8:1 für die Schweizer spricht eine deutliche Sprache. Für den Weltmeister ist das der 12. gemeinsame Weltcuperfolg und mit Stolz konnte man erstmals nach dem WM-Titel in Aschaffenburg wieder die Schweizer Nationalhymne genießen.