Radballbericht von Heinz-Dieter Kuhlmann

RC Winterthur mit den besten Nerven beim WC in Chemnitz

Routine und Cleverness bis in die Haarspitzen gab den Ausschlag beim 6. diesjährigen Weltcupturnier in der Sachsenhalle in Chemnitz. Die Schweizer Ex-Weltmeister Peter Jiricek und Marcel Waldispühl vom RC Winterthur siegten im Finalspiel gegen Europacupsieger RC Höchst II (Simon König und Florian Fischer) nach 2:2 bei regulärer Spielzeit mit 6:5 Toren nach Verlängerung. Weltcup-Rekordspieler Peter Jiricek hat jetzt 55 Turniere (40 x auf dem Treppchen) mit 315 Spielen auf dem Buckel und holte mit 15 Turniersiegen (6 davon gemeinsam mit Marcel Waldispühl) den bisherigen Leader Dietmar Schneider (RC Höchst) ein. In der Nationenrangfolge rückt das Weltmeisterland Schweiz mit 28 Turniersiegen (bisher Österreich 30, Deutschland 29) der Spitze näher.

Der RC Winterthur hatte im Verlaufe der toll organisierten Veranstaltung (mit dabei das Fernsehen aus Brasilien – machte TV-Aufnahmen von „unbekannten Ballsportarten“ in Vorbereitung zur Fußball-WM 2014 – und MDR Sachsen) die besten Nerven. Schon in der Vorrunde hatten sie nach dem Pflichtsieg über VD Pilsen erhebliche Schwierigkeiten mit RV Dornbirn. Nach 1:1 zur Pause reichte es am Ende nur zu einem Punkt mit 2:2 Toren. Im letzten Gruppenspiel gegen RVS Obernfeld standen sie vor dem Halbfinal-Aus, denn bei einer Niederlage drohte das 4-Meter-Schießen gegen RV Dornbirn. Man holte gegen die Kopps einen 2:3-Rückstand auf und holte mit dem 5:4-Dreier sogar noch den Gruppensieg. So ging es auch im Halbfinale gegen SV Ehrenberg weiter. Hier war man bei Halbzeit mit 1:2 und in der 2. Hälfte beim 2:3 auf der Verliererstraße, dennoch blieb man hellwach und infolge Unkonzentriertheiten beim SV Ehrenberg kippten sie das Spiel noch zum 4:3-Sieg und damit der Finalteilnahme.

In diesem Finalspiel gegen RC Höchst II (hier bestritt Simon König sein 25. Finalspiel, 13 davon hat er gewonnen) war in der 1. Halbzeit Taktik pur zu sehen, kein Team ging volles Risiko und fast logisch wurde mit 0:0 die Seiten gewechselt. Das änderte sich etwas in der 2. Hälfte und RC Höchst II schien auf der Siegerstraße mit einer 2:1-Führung zu sein, aber wieder behielt der Ex-Weltmeister die Nerven und schaffte kurz vor Spielende doch noch den 2:2-Gleichstand, die Verlängerung über 1 x 7 Minuten wurde fällig. Hier gab es den offenen Schlagabtausch mit dem glücklichen Ende der Eidgenossen mit 6:5 Toren.

Aus deutscher Sicht gab es schon am Freitag eine Enttäuschung, denn der Deutsche Meister SV Eberstadt hatte infolge einer Erkrankung bei Marco Rossmann abgesagt, zum 3. Male in dieser Saison sprang der DM-Dritte RVS Obernfeld als Ersatzteam des BDR ein und kam damit zum 10. Weltcupturnier ihrer Karriere. Der SV Ehrenberg hatte eine starke und überaus reizvolle Vorrundengruppe erwischt. Eine klare Leistungssteigerung wurde sichtbar. Nach dem Pflichtsieg über HRV Chemnitz mit 7:4 Toren war allerdings Favorit Brünn ein harter Prüfstein. An der Seite von Pavel Smid spielte Oldie und Ex-Weltmeister Miroslav Berger mit 53 Jahren nach längst abgeschlossener Karriere nun sein 35. WC-Turnier und trotzte den Thüringern ein 3:3 ab. In einem Superspiel gegen RC Höchst II sah SV Ehrenberg schon wie der Sieger aus, man führte 4:3 eine halbe Minute vor Schluß, aber die Vorarlberger schafften trotzdem noch den 4:4-Ausgleich. Hier war alles drin, Tempo-Radball, Spannung, Volltreffer – allerdings am Kopf des MDR-TV-Kameramann – und ein kurioses Tor für RC Höchst II, als ein abgeprallter Schuß von der Seitenbande doch noch ins Ehrenberger Tor zum zwischenzeitlichen 1:2 rollte. So war SV Ehrenberg im letzten Vorrundenspiel gegen RMV Mosnang gefordert, denn nur ein Sieg bringt die Halbfinalteilnahme und die wurde klar mit 7:2 (4:1) geschafft.

Trotz der kurzfristigen Nominierung zur Teilnahme hatte der RVS Obernfeld in seiner Gruppe weniger Probleme zum Halbfinale. Der Spielplan kam etwas entgegen, denn die Pflichtsiege über HZG Beringen (4:0) und VD Pilsen (7:3) brachten 6 Pluspunkte auf die Habenseite, derweil hatten sich die Hauptkontrahenten RV Dornbirn und RC Winterthur mit 2:2 die Punkte genommen. Für die Eichsfelder genügte also ein Sieg über einen dieser beiden Widersacher. Das gelang schon gegen RV Dornbirn in einer Wiederauflage der Duell in den beiden letzten WC-Turnieren mit 3:1 Toren mit einer konzentrierten Abwehrleistung.

In den Platzierungsspielen konnte HRV Chemnitz auch im 3. Heimturnier den letzten Platz vermeiden. In der Vorrunde gab es durchaus respektable Resultate gegen die Weltspitze und im Spiel um Platz 9 wurde der WM-Sechste HZG Beringen mit 3:1 Toren besiegt. Im Spiel um Platz 7 gab es ein tschechisches Duell zwischen Favorit Brünn und VD Pilsen, das der Meister Pavel Smid mit Altmeister Miroslav Berger mit 7:4 Toren für sich entschied. Im Spiel um Platz 5 zwischen RV Dornbirn und RMV Mosnang gab es einen Eklat. Bei eigener 7:4- Führung (!) in der 2. Halbzeit ließ sich Martin Lingg vom RV Dornbirn zu einer Kommissärs-Beleidigung verleiten und bekam die rote Karte. Damit waren 5 enorm wichtige WC-Rankingpunkte im Hinblick auf das WC-Finale in Brünn weg und gingen sogar an einen potentiellen Konkurrenten RMV Mosnang. Für Lukas Schönenberger in seinem 30. WC-Turnier ein schönes Geschenk.

In den beiden Halbfinalspielen waren die Topp-Nationen Österreich, Schweiz und Deutschland (2x ) unter sich. Es gab Spiele auf Augenhöhe, aber fast identisch verloren die BDR-Teams denkbar knapp spät in der 2. Hälfte um ein Tor, obwohl sie zur Pause um ein Tor geführt hatten.

Im kleinen Finale um Platz 3 zwischen RVS Obernfeld und SV Ehrenberg konnte man bereits für das Final-Five-Turnier in Göttingen in 114 Stunden und im DM-Finale in Baunatal Motivation sammeln. Die Kopps lagen durchweg knapp in Führung und brachten mit 5:4 Toren 40 WC-Rankingpunkte auf ihr Konto. Bei nun 125 WC-Rankingpunkten steht der RVS Obernfeld, obwohl ursprünglich vom BDR nicht nominiert, als 1. deutsche Mannschaft im WC-Finale am 07.12.13 in Brünn. SV Ehrenberg, bei dem Rico Rademann sein 20. Turnier bestritt, muß mit nun 65 Punkten echt um das Finale bangen. SV Eberstadt wird es dagegen nicht mehr schaffen, wenn am bedenkt, daß die Grenze zur Teilnahme am WC-Finale im Ranking bei etwa 105-110 Punkten sein wird.