Bericht von Heinz-Dieter Kuhlmann

Gruppe A Vorrunde

Die ersten 3 Radballspiele der Gruppe A sind am Freitag gespielt. Haben diese neue Erkenntnisse gebracht? Sicher nicht, denn zunächst geht es nur um die Platzierungen der 6 Teams der A-Gruppe mit der Belohnung, daß nach den 15 Spielen der erste sofort eine Medaille sicher hat. Deutschland mit seinen WM-Neulingen Roman Müller und Marco Rossmann von der RSG Ginsheim haben den leichten Vorteil vom Titelgewinn Gärtringens aus dem Vorjahr, daß man als Weltmeisternation seine Spiele in der Reihenfolge Platz 6 bis 2 zu absolvieren hat. Also stand zunächst Außenseiter Frankreich mit dem Team vom VC Cronenbourg (Stephane Bauer und Frederic Doell) auf dem Programm. Von der Papierform her also eine "leichte" Aufgabe, ein Pflicht-Dreier war also eingeplant. Wenn man die letzten internationalen Ergebnisse von Cronenbourg (2 : 7 gegen Gärtringen - König mit Schmid - und 1 : 9 gegen Gätringen in der Stammbesetzung, 3 : 11 gegen Winterthur und 0 : 8 gegen Gent 1) anschaut, so war sicher im deutschen Lager ein Erfolg mit 5 bis 7 Toren Unterschied eingeplant. Aber das Spiel lief etwas anders, der 1. Auftritt auf dem WM-Parkett ist immer etwas besonderes, fast 8 Jahre hat man im Ginsheimer Lager auf dieses Ziel hingearbeitet und nun stand ein Gegner da, der überhaupt nichts zu verlieren hatte. Frech und ohne Respekt wurden Müller-Rossmann in ein offenes Spiel gedrängt und fingen sich ungewohnt viele Gegentore ein. Mit 7: 5 Toren ging der Sieg zwar an Deutschland, aber im Hinblick auf die Platzierungen waren hier sicher einige Tore in der Differenz verschenkt worden.

Im Spiel 2 standen sich RS Altdorf (Schweiz) in der Besetzung Roman Schneider und Dominik Planzer und HZG Beringen (Belgien) mit Brecht Damen und Niels Dirikx gegenüber. Belgien hat also hier in Kagoshima ihrer Landes-Nr. 2 aus Beringen den Vorzug gegeben und gibt ein Zeichen der Verjüngung für die Zukunft. Damit ist dieser WM allerdings ein Überraschungseffekt genommen worden, denn SNA Gent mit Rik Deuvaert und Christoph Baudu oder auch Baudu mit Peter Martens als Weltcupsieger in Japan 2011 sind immer das "Salz in der Suppe" gewesen, die so manchen Favoriten stolpern lassen hat, aber selbst es nie aufs Treppchen schaffte. Mit ihrer kraftvollen Spielweise und den kernigen Torschüssen waren die Eidgenossen den Flamen deutlich überlegen und landeten einen 10 : 1 Kantersieg. In dieser Form wird Belgien es schwer haben, in diesem Jahr die A-Gruppe zu halten.

Das Spiel Nr. 3 zwischen Österreich (RC Höchst mit Dietmar Schneider und Patrick Schnetzer) und Tschechen (Favorit Brünn mit den Weltmeistern 2004 Pavel Schmid und Petr Skotak) waren endlich Maßstab unter den Topp-Nationen. In den ersten 3 Minuten waren die Tschechen präsenter und ballsicherer, weil Feldspieler Didi Schneider oftmals bei Drehungen vom Rad kam und sich dann nur durch taktische Fouls weit genug vom eigenen Tor entfernt, behelfen konnte. Glück hatte Österreich daß es keinen Penalty gab, als Schneider, bereits ausgespielt war und Skotak gerade noch am Sattel erwischte, das Rad hochzog und dieser sich auf die Nase legte. Dennoch gelang es den Tschechen nicht, in gute Schussposition zu kommen. Dafür markierte der in wenigen Tagen 18 Jahre alt werdende Patrick Schnetzer die Tore zum 1 : 0 und 2 : 0, als er mit explosivem Antritt an Tschechens Feldspieler Peter Skotak vorbeikam und verwandelte. Nun entwickelte sich das erwartete Spiel, Österreich mit sicherem Ballbesitz und Tschechien musste Risiko gehen. Nach dem 2 : 0 beim Seitenwechsel erhöhte Didi Schneider per 4-Meter-ball zum 3 : 0, 4 Minuten vor Schluss, damit war der Sieg sicher, Skotaks 4-Meter-Ball zum 1 : 3 konnte leicht verkraftet werden. Österreich hat gezeigt, daß man als WM-Dritter in diesem Jahr mehr anpeilt und bei Tschechien waren Mangel im Spiel nach vorne sichtbar. Ihre Stärke, bei eigener Führung den Gegner kommen zu lassen, konnten sie hier noch nicht andeuten.

Die 3 Medaillengewinner von 2010 in Stuttgart hatten ihr 1. Spiel am Freitag gewonnen.

Am 2. Tag war zunächst Deutschland gegen Belgien dran, beides Teams also, die das 1. Mal auf der Fläche dabei sind. Mit dem klaren 7:1 holten sich Müller-Rossmann ungefährdet ihren 2. Dreier, man kann sich jetzt auf die schweren Spiele einstellen. Schon einen wichtigen Sieg über Tschechien im Gepäck absolvierte Österreich gegen Frankreich sein 2. Spiel in souveräner Manier. Vor Frankreich war man gewarnt, denn Elsäßer haben die Deutschen ja am Freitag lange Zeit ärgern können. Frankreich ging ins Spiel mit der Devise, langes Ballhalten bringt den Gegner aus dem Konzept und hält im Zweifel die Niederlage in Grenzen. Das Rezept hatte allerdings nur 90 Sekunden Bestand, denn Didi Schneider spitzelte in Abgaben und so war das Spiel schnell entschieden und die Treffer für die Vorarlberger fielen zum 10:1 fast im Minutentakt. Mehr Spannung erwartete man vom nächsten “Gipfeltreffen” Schweiz gegen Tschechien, der Ex-Weltmeister aus Brünn war bereits unter Zugzwang. Die Eidgenossen nutzten ihre Möglichkeiten konsequenter, Tschechien war bei Standards gefährlich. Mit 5:3 Toren ging der Sieg an Altdorf, die nun ebenso wie Deutschland und Österreich auf 6 Pluspunkte kommen, für Tschechien war damit der Zug zum Platz 1 bereits vorzeitig abgefahren. Es folgte das Abstiegsspiel zwischen Frankreich und Belgien, der Sieger konnte bereits vorzeitig den Klassenerhalt feiern. Spannend blieb es bis zum Ende und mit 3:3 gab es eine Punkteteilung, die bedeutet, daß für beide Nationen nun die Tordifferenz zählt – und Tschechien war plötzlich Schlusslicht der Tabelle! Zudem wartete auf Tschechien nun auch noch Deutschland, für Müller-Rossmann die erste echte Standortbestimmung. Den letzten Vergleich gab es beim Europa-Cup-Finale, als Ginsheim Platz 2 und Favorit Brünn Platz 3 belegten. Deutschland spielte konzentriert und war im Angriff effektiver, mit 5:2 war der 3. Sieg dieser WM unter Dach und Fach, nun kann mal ein Blick in Richtung Platz 1 riskiert werden. Das folgende Alpenduell Österreich gegen die Schweiz konnte schon richtungsweisend sein, allerdings gingen die Eidgenossen etwas gehandikapt ins Spiel, denn Keeper Roman Schneider war durch eine Augenentzündung behindert. Österreich übernahm das Kommando auf der Fläche, ging in Führung und baute diese zum vorübergehenden 4:1 aus, die Schweiz konnte erst zum Schluß noch auf 3:4 herankommen, hatte aber dennoch wichtige Punkte verloren. Österreich hatte Deutschland eingeholt und sich jetzt eine blendende Ausgangsposition verschafft. Tschechien war gegen Belgien nun gefordert und machte mit 5:0 Toren im 4. Turnierspiel endlich den ersten Sieg, die rote Laterne wurde nun an die Flamen aus Beringen übergeben, aber das Spiel der Brünner war nicht überzeugend. Anschließend schaffte es Frankreich beim 1:5 gegen die Schweiz, in der Tordifferenz gegenüber Belgien klar besser zu bleiben. Mit Spannung wurde nun das Spiel um Platz 1 zwischen den ohne Verlustpunkt stehenden Teams aus Deutschland und Österreich erwartet, theoretisch lag Österreich mit der besseren Tordifferenz und der Gewissheit, daß Deutschland ja auch noch gegen die Schweiz spielen muß, im Vorteil. Deutschland mußte also kommen und hatte schon nach einer Minute Erfolg, denn Rossmann erwischte mit seinem Hinterrad eine Abgabe des Austria-Teams zum 1:0. Drei Minuten später eine Riesenchance, als Schneider vom Rad war und die Deutschen bei schnellerer Reaktion mit beiden Spielern hätten angreifen können. Patrick Schnetzer kam jedoch blitzschnell aus seinem Tor und machte sofort den Angriff tot. Dann Glück für Deutschland, denn der Kommissär pfiff einen Vorteil für Österreich zurück. Dann passierte allerdings 30 Sekunden vor der Pause doch der 1:1-Ausgleich, als Schnetzer mit schnellem Antritt rechts durchfuhr und Glück hatte, daß der Ball bei Roman Müller knapp über den Sattel kullerte. Die 2. Hälfte begann vielversprechend, denn Roman Müller verwandelte einen 4-Meter-Ball vorn oben eiskalt zur 2:1-Führung. Klare Torchancen konnte Marco Roßmann zwar vereiteln, aber Österreich spielte jetzt mehr auf Eckball und diese Chance nutzte das Team 4 Minuten vor Spielende zum Ausgleich. Patrick Schnetzer täuschte 2x an und mit dem 3. Täuschungsmanöver war Müller nicht mehr mit dem Vorderrad rechtzeitig oben. 2.45 Min. vor Spielende hatte auch Ginsheim die Eckballgelegenheit, aber der Pass kam nicht genau genug. Das 2:2 am Ende war leistungsgerecht, aber Österreich hatte noch eine Eckballchance. Schneider täuschte auch hier lange an und dann fand er die Lücke zwischen Romans Lenker, der Ball fiel in Richtung Torlinie, aber mit einer Riesenreaktion vereitelte Roman Müller doch noch das Gegentor. Es folgten die letzten 3 Spiele: zunächst entledigte sich Tschechien dem theoretisch noch möglichen Abstieg. Mit 6:0 zur Pause gegen Frankreich war die Sache gelaufen, in der 2. Hälfte ersparte man dem Gegner aus Cronenburg das Zittern um die Tordifferenz. Belgien konnte nun nur noch durch einen Punktgewinn über Spitzenreiter Österreich den 6. Rang vermeiden, das Team-Austria legte mit dem klaren 8:1 für Deutschland eine zu hohe Hürde in der Tordifferenz vor. Deutschland hätte nun für Platz 1 schon mit 8 Toren Differenz gegen die Schweiz gewinnen, also faktisch nicht zu schaffen. Österreich konnte also schon Platz 1 und damit eine sichere WM-Medaille feiern. Für Deutschland und die Schweiz ging es im letzten Gruppenspiel nur noch um Platz 2 der Tabelle, der in der Zwischenrunde mit Frankreich den vermeintlich leichteren Gegner bescheren würde. Es ging für Deutschland gut los, denn gleich der 1. Angriff brachte das 1:0, als Rossmann Feldspieler Planzer zum Eckpunkt mitzog und seinen Rückpass zum 4-Meter-Punkt auf Müller verwertete dieser unhaltbar. Die Antwort der Schweizer war Roman Schneiders Hammer unter die Latte zum 1:1. Rossmann spitzelt beim 2:1 in eine Abgabe. Etwas geschunden sieht ein Foul aus, das für die Schweiz gut 4 Meter vor dem deutschen Tor gegeben wird. Der fällige Freischlag bringt wieder den Ausgleich. Ginsheim bleibt offensiv, jedoch wird ihr Angriff 50 Sekunden vor der Pause abgewehrt und den Konter verwertet Planzer zur erstmaligen Führung. Das wichtige 3:3 schafft Rossmann aus einer Ecke doch noch fast mit dem Halbzeitpfiff. In der 2. Hälfte neutralisieren sich die Teams fast, Deutschland reicht ja für Rang 2 ein unentschieden. Mitte der 2. Halbzeit Ecke für Deutschland, bringt nichts. Das macht die Schweiz besser, denn 30 Sekunden später wehrt Müller zwar den 1. Eckball erfolgreich ab, aber den folgenden 2. Eckball macht Planzer rein. Den folgenden Angriff schließen Müller-Roßmann zu schnell ab, Müller verpaßt die Abgabe denkbar knapp. Die restlichen 2 Minuten spielen Schneider-Planzer routiniert zu Ende, ohne noch einmal echt in Gefahr zu kommen.

Damit hat sich die Schweiz mit dem Gegner Frankreich in der Zwischenrunde einen schlagbaren Kontrahenten gesichert. Für Deutschland wartet mit Tschechien ein immer unberechenbares Los, den schwersten denkbaren Gegner. Vor dem Minimalziel Medaille hat diese WM für Ginsheim noch einen schweren Brocken vor der Brust. Aber die WM wird ohnehin erst am 3. Wettkampftag entschieden.