Bericht von Heinz-Dieter Kuhlmann

Gruppe A Finalrunde

Nachdem Österreich als Gruppensieger sich bereits am Vortag seine sichere Medaille gesichert hatte, mussten die Konkurrenten in den beiden Zwischenrundenspielen “nachsitzen”. Zunächst spielte der Vorrundenzweite Schweiz gegen den -fünften Frankreich. Das Endergebnis von 10:0 besagt eigentlich alles. Frankreich hatte mit dem Klassenerhalt sein WM-Ziel erreicht und ernsthaft nicht daran geglaubt, hier die Schweiz in Verlegenheit zu bringen. Die Eidgenossen hatten mehr Probleme mit dem geschwollenen Auge beim Torwart Roman Schneider (Infekt). Nach Abprallern ging die Schweiz per Nachschuss 2:0 in Führung, verwandelte einen Eckball und ließ die Franzosen spielen, um Kraft zu sparen. Diese produzierten Fehler und über den 4:0-Pausenstand fielen auch in der 2. Hälfte in regelmäßigen Abständen Treffer über Treffer. Keeper Roman Schneider war also in Form.

Wesentlich mehr Zündstoff lag im 2. Zwischenrundenspiel zwischen Deutschland und Tschechien, für beide Nationen ging es hier um Erfolg oder Misserfolg bei dieser WM. Für Deutschland hieß es, Tschechien nicht in Führung gehen zu lassen. Aber die routinierten Brünner witterten ihre Chance, nach dem WM-Gewinn 2004 wieder nach einer Medaille greifen zu können. Einen Querpass von Marco Rossmann kann Feldspieler Skotak abfangen und will aufs deutsche Tor zufahren. Dabei wird er von Marco per Notbremse gelegt, gelbe Karte und 4-Meter-Ball ist die Strafe. Skotak verschießt und trotzdem kommt Tschechien zur 1:0-Führung mit einer Finte von Smid zu Skotak. Pavel Smid macht kurz darauf das 2:0, genau das wollte man auf deutscher Seite doch vermeiden. Roman Müller markiert vor der Pause wenigstens noch den 1:2-Anschlußtreffer. Anfang der 2. Hälfte nimmt Ginsheim das Heft in die Hand und wieder Roman Müller schafft mit Schüssen hinten oben die Wende zur 3:2-Führung, per Eckball fällt sogar noch das 4:2, das Spiel ist gekippt. Deutschland versucht, das Tempo aus dem Spiel zu nehmen und spielt sich so wieder selbst aus dem Rhythmus. Pavel Smid verkürzt zum 3:4, nochmals Hektik, denn 5 Sekunden vor Schluss verhängt der Schweizer Kommissär wegen Zeitspiel eine 20-Sekunden-Verlängerung. Tschechien im Ballbesitz, Marco Rossmann foult Skotak und hat dabei sein Beim im Rahmen stehen. Petr Skotak reißt sein Rad weg und zieht dabei das Bein von Marco mit. Wieder Unterbrechung wegen Verletzung. Den letzten verzweifelten Angriff von Skotak unterbindet Roman Müller mit einem energischen Einsatz. Der Sieg ist gerettet und Bronze sicher.

Mit Spannung wurde das Relegationsspiel zwischen Belgien und Rumänien erwartet. Auf Grund der Weltcupergebnisse war hier Rumänien mit guten Chancen, erstmals in die A-Gruppe aufzusteigen. Am Ende trennten sich die Kontrahenten 3:3 und das Nervenspiel des 4-Meter-Schießens gewann Belgien mit 5:4 Toren. Aufatmen im belgischen Lager, hat es doch im Vorfeld dieser WM um die Nominierung von Beringen im eigenen Lande doch erhebliche Diskussionen gegeben.

Im Halbfinale waren also die Favoritennationen Deutschland, Österreich und die Schweiz wie in den beiden letzten Jahren unter sich. Gruppensieger Österreich traf im 1. Halbfinale auf die Schweiz, der Sieger war im Finalspiel. Es wurde das Spiel der Feldverteidiger Didi Schneider (AUT) und Dominik Planzer (SUI). Keine kritische Situation vor den Toren, keine Eckbälle, die Angriffe wurden abgefahren. Die entscheidende Szene der 1. Hälfte schaffte Roman Schneider in der 4. Minute, als er wenige Zentimeter Platz bekam und sein strammer Schuss zum 1:0 hinter Schnetzer einschlug. Sofort nach Wideranspiel ergriff die Schweiz die Initiative. Einen Freischlag aus 6 Metern kann Schnetzer nicht festhalten und sofort ist Roman Schneider zum 2:0 zur Stelle. Die Schweiz macht weiter Druck und Planzer markiert allein vor dem Tor vorn oben das 3:0. Österreich ist von der Rolle und Patrick Schnetzer kann den nächsten Angriff nur regelwidrig stoppen. Den fälligen 4-Meter-Ball verwertet Planzer zum 4:0, gut 4 Minuten vor Spielende, das sollte reichen. Didi Schneider bekommt noch eine Ermahnung wegen ständigen Reklamierens, weil er Eckbälle bei seinen Schussversuchen gesehen haben will. Erst 45 Sekunden vor Schluss macht Didi Schneider den Ehrentreffer, als er frei vor dem Schweizer Tor auftaucht. Ein Riesenspiel der Schweiz, die Silbermedaille ist sicher und wird von Dominik Planzer mit einem Urschrei gefeiert, Roman Schneider wirbelt die rechte Faust dem Schweizer Anhang entgegen.

Nun stehen im 2. Halbfinale Österreich und Deutschland gegenüber, droht dem Team Austria erneut der Verlust der angestrebten Goldmedaille? Deutschland startet nach Anspielrecht sofort vielversprechend. Marco Rossmann steht nach 40 Sekunden frei, jedoch sein Schuss wird sogar von Schnetzer gefangen, der Dropp-Kick verfehlt jedoch das deutsche Gehäuse. Die nächste Gelegenheit: Romans Vorlage auf Marco ist etwas zu steil, wieder nichts. Dafür Österreich mit dem 1. Eckball. Patrick Schnetzers Spezialität bei dieser WM: Eckbälle antäuschen. Das gelingt, Roman will mit dem hochgerissenen Vorderrad zur Mitte und macht hinter seinem Rücken für den direkten Schuss das Tor auf. 1:0 für Österreich nach 90 Sekunden. Deutschland drängt auf den Ausgleich, Roman Müller ist frei durch, kann zu Marco quer passen, aber entscheidet sich für den direkten Torschuss, der vom Keeper Schnetzer abgewehrt wird. 2 Minuten vor der Pause hat Didi Schneider vom Mittelkreis aus plötzlich freie Schussbahn, aber Müller wehrt zur Ecke ab. Wieder die gleiche Eck-Seite wie beim 1:0 und nun kennt Müller die Finte und wehrt den direkten Schuss ab. Dafür hat Roman Müller eine Minute vor der Halbzeit die Riesenchance zum Ausgleich, jedoch muss er von seiner “falschen Seite” schießen, Schnetzer wehrt wieder ab. 40 Sekunden vor dem Seitenwechsel fährt Schnetzer mit starkem Antritt Marco Rossmann weg und knallt zum 2:0 ins Netz. Sofort aus dem Wideranspiel schafft Roman 20 Sekunden später mit einem Knaller unter die Latte das 1:2. Reicht das bis in die Pause? Nein, denn sofort aus dem Anspiel nutzt Dietmar Schneider das deutsche Abstimmungsproblem zum 3. Treffer, ärgerlich unmittelbar vor der Pause. Die Halbzeitansprache der Deutschen muss “Angriff pur” gewesen sein, denn Müller-Rossmann spielten schnell mit vollem Risiko. Clever verteidigt Dietmar Schneider seinen Bereich und schafft die Vorentscheidung zum 4:1. Nun spielt Österreich mehr auf Sicherheit, Zeitstopp wegen Verletzung bei Didi und Ermahnung wegen ständiger leichter Fouls, die Deutschland nicht ins Spiel bringen. Eckbälle von Ginsheim knallen entweder an den Pfosten oder werden abgewehrt. Knapp 3 Minuten vor Spielende dreht Marco Rossmann seinen berühmten Kreisel mit dem Ball, passt fast von der gegnerischen Torauslinie nach innen und Roman Müller schafft das 2:4. Nach gehaltener Ecke durch Roman Müller hat dieser eine Minute vor Schluss nochmals eine Torchance, aber der Ball geht daneben. Nun reicht die Zeit nicht mehr, Deutschland gibt vorzeitig auf, Österreich erreicht das Finalspiel und Deutschland schließt die WM mit einer Bronzemedaille ab. So richtig Freude kommt im deutschen Lager nicht auf. Um 7.07 MEZ ist Deutschland nicht mehr Radball-Weltmeister.

Das WM-Finale heißt Schweiz gegen Österreich, Kommissär Robert Covent, Belgien. Mit dem Anspiel für die Schweiz gibt es zunächst Vorteile für die Eidgenossen, Planzers Schuss nach 50 Sekunden tropft bei Patrick Schnetzer auf den Sattel, fällt aber nicht ins Tor. Bis zur 5. Minute kann sich weiterhin Schnetzer im Tor auszeichnen, der bravourös vorn oben hält, Glück aber auch 2 mal, als der Ball knapp neben den Pfosten geht. In den beiden letzten Minuten der 1. Hälfte wird Österreich besser, eine Ecke wird auf Didi Schneider zurückgezogen, der aber verzieht. Dafür ist er 1.50 Min vor der Pause voll da, zieht von links nach innen und knallt das 1:0 unter die Latte. Die Schweizer Chancen wie Eckball und Planzers Schuss werden abgewehrt und als sich alles schon auf den knappen Pausenstand einstellte, machte 8 Sekunden vor dem Pausenpfiff Schnetzer das 2:0 mit strammem Schuss hinter Roman Schneiders Rücken, wichtig für das Team Austria. Mit einem Katapultstart geht Österreich in die 2. Hälfte, denn nach 5 Sekunden schnallt Dietmar Schneider vorn oben zum 3:0 ein. Jeder in der Halle glaubt nun, daß das Spiel gelaufen ist, vielleicht gingen diese Gedanken auch durch den Kopf von Didi und Patrick. 50 Sekunden später schafft Dominik Planzer vorn halbe Höhe mit strammen Schuss das 1:3. Trotz Radwechsel bleibt er griffig und schafft mit einem Schuss aus gut 5 Metern das 2:3, geht noch was, es sind ja noch 4.10 Min. zu spielen? Österreich hat jetzt Pech, denn kurz nacheinander landen Schüsse von Didi und Patrick an der Latte. 3.08 Min. wird Planzer in Höhe des eigenen 4-Meter-Punkts gefoult, erwischt dennoch den Ball mit dem Hinterrad, der zum 3:3 ins Tor trudelt. Aber Robert Covent hatte diesen Vorteil vorher abgepfiffen. Ärgerlich zwar, aber es gab kein lamentieren. Aus dieser Freischlagsituation fuhr Roman Schneider resolut rechts durch und hämmerte zum 3:3 ein. Der Ausgleich war also doch gelungen und war nun Österreich nach 3 schwachen Minuten von der Rolle? Nein, denn wie bereits mehrfach bei dieser WM konterten die Vorarlberger sofort aus dem Anspiel und Schnetzer machte 15 Sekunden nach dem Ausgleich wieder die 4:3-Führung. Die letzten Kraftreserven brachten für die Schweiz nichts mehr ein und als 20 Sekunden vor Schluss noch ein Eckball der Schweiz daneben ging, war der WM-Titel für Österreich sicher.

Um 8.56 MEZ am 06.11.2011 haben sich Dietmar Schneider und Patrick Schnetzer für immer in die Geschichtsbücher Österreichs eingetragen. Der erste WM-Titel für das Team Austria war geschafft, ein Titel, der seit 25 Jahren eigentlich überfällig war. Patrick Schnetzer ist der jüngste Radball-Weltmeister aller Zeiten und Didi Schneider hat seine Riesenlaufbahn mit dem WM-Trikot gekrönt. Jeder dachte bei ihm an die vielen Enttäuschungen, wenn das WM-Trikot an seiner Nase vorbeiging. Nun hat er es in seinem Besitz und seine Tränen der Rührung bei seinem eher verhaltenen Jubel konnte jeder in der Halle nachempfinden. Gratulation und echte Anerkennung für die Radballer Österreichs, Gratulation aber auch an Schneider-Planzer aus Altdorf für Silber, für den Keeper “mit einem Auge” Roman Schneider eine feine Leistung. Gratulation aber auch an unsere Ginsheimer Truppe, als Neulinge Bronze nicht verloren, sondern gewonnen. Es sind schon andere deutsche Teams ohne Radballmedaille heimgekehrt und ein wenig abgezeichnet hat es sind in diesem Jahr ohnehin bereits im Weltcup.