Radpolobericht von Heinz-Dieter Kuhlmann  

  

Frellstedt schwebt im 7. Himmel

Die Serie des RV Etelsen ist gerissen. Nach 8 Meistertiteln in Folge hat Anika Müller mit ihrer jungen Partnerin Claudia Liesau nach der Niederlage im Finalspiel gegen RKB Frellstedt in diesem Jahr mit der Silbermedaille vorlieb nehmen müssen. Dagegen ist beim RKB Frellstedt mit ihren Spielerinnen Petra Piecha und Marina Finster unendliche Freude vorhanden, denn dieser Deutsche Meistertitel ist nicht nur unerwartet gekommen, sondern mit Berücksichtigung der jahrelangen Vorgeschichte fast sensationell. Petra Piecha und Marina Finster spielen seit mehr als 10 Jahren immer in der absoluten Radpoloelite und die Qualifikation zur DM war immer „selbstverständlich“. Aber genau die Meisterrunde hatte bei dem Team durchweg eine Blockade, denn so oft standen die Nerven im Wege und im wahrsten Sinne des Wortes standen die Spielerinnen enttäuscht neben dem Treppchen. Außer Bronze war nicht mehr drin. Immer stand Meister RV Etelsen oben und mit RSV Seeheim, Klein Winternheim oder jüngst RVS Obernfeld ein anderes Team vor ihnen. Vor 2 Jahren dachten die Spielerinnen schon mal leicht an Abschied, denn Petra Piecha verzweifelte an der „DM-Blockade“ und bei Marina Finster zeigten sich Verschleißerscheinungen im Rücken. Dennoch, der Ehrgeiz trieb sie an und das Vorbild an Eifer wurde jetzt plötzlich belohnt. Der 1. Titel für die RKB nach RKB Seeheim (Mattauch und Kraft) in den 80er Jahren.

Was war das für ein Start in die Meisterrunde ! Schon im 1. Block ging es für RKB Frellstedt gegen Vizemeister RVS Obernfeld und Titelverteidiger RV Etelsen. Die richtigen Gegner, schon früh die Felle davon schwimmen zu sehen. Selten so stark in der Abwehr und bei Ballbesitz mit dem richtigen Timing wurde nach 1:1 beim Seitenwechsel RVS Obernfeld mit 2:1 Toren knapp bezwungen. Mit dieser Taktik ging Frellstedt auch ins Spiel gegen RV Etelsen, ein Team, das man bisher noch nie bezwungen hat. Nach dem Auftaktsieg beider Teams konnte hier schon Kurs auf das Finalspiel genommen werden. Bei Etelsen klappte nicht alles und mit 2:1 ging RKB Frellstedt überraschend in die Pause. Bei zunehmenden Druck von Etelsen gab es zwar noch das 2:2, aber diesen Punkt rettete RKB Frellstedt über die Zeit, eine tolle Ausgangsbasis wurde geschafft. In den letzten Jahren kam üblicherweise jetzt der „Wackelschläger“ bei den Frellstedtern und in einer wahren Zitterpartie wurde der Dreier mit 2:1 Toren über die Zeit gerettet. Nun war die Tür zum Finalspiel, wie üblich also zur Silbermedaille, weit offen, es durfte allerdings gegen den mehrfachen Deutschen Vizemeister RSV Seeheim (Janina Creel und Janina Vogel) keine Niederlage geben. Es lief planmäßig mit einer 2:0-Führung und mit dieser im Rücken war die Sicherheit vorhanden. Mit 5:4 Toren war Platz 2 abgesichert. Derweil hatte Meister RV Etelsen nach den 4 Punkten im 1. Block und dem ungefährdeten 7:3 über RSV Seeheim mit 7 Punkten nach dem 2. Block sein Soll fast erfüllt. Im letzten Spiel gegen den vorjährigen Vizemeister RVS Obernfeld konnte man sich eine Niederlage mit 3 Toren Differenz erlauben. Jennifer Kopp und Anna Meseke knabberten an dieser Überraschung, denn mit 4:3 ging man in die Pause. Aber RV Etelsen blieb auch in Erfurt für sie die uneinnehmbare Festung und von daher waren die Damen aus dem Eichsfeld am Ende froh, doch noch das 6:6 erzielt zu haben und dieser Punkt brachte ihnen doch noch die Bronzemedaille vor RSV Seeheim. Auf Kurs Bronze lag lange Zeit RSV Seeheim, denn nach dem Sieg über RKB Halle und dem 4:4 gegen RVS Obernfeld nach 0:2-Rückstand standen immerhin 4 Punkte zu Buche. Aber die Niederlagen gegen die Finalspielteams RV Etelsen und RKB Frellstedt brachte sie um den Lohn. RKB Halle konnte durchweg immer nur bis zur Halbzeit mithalten, Punkte waren aber nur in den Spielen gegen RKB Frellstedt und RVS Obernfeld möglich.

Das DM-Finale hieß also RV Etelsen gegen RKB Frellstedt, ein Treffen alter Kontrahenten mit dem bisher üblichen Ausgang: Sieg für RV Etelsen. Fachleuten ist allerdings aufgefallen, daß an diesem Tage das Angriffsspiel bei Claudia Liesau und Anika Müller nicht perfekt funktionierte, denn nicht umsonst gab es gegen RKB Frellstedt und RVS Obernfeld heute Probleme. Für RKB Frellstedt gab es die Devise: 0 Chancen, aber die wollen wir nutzen. Schon nach 30 Sekunden das 1:0 für Frellstedt durch Petra Piecha, die flink die 1. Chance nutzte und einlochte. Nach 90 Sekunden schon Tor Nr. 2 durch Marina Finster, die frei vor dem Tor knallhart verwandelte. Die Halle witterte die Überraschung, aber RV Etelsen kam jetzt besser ins Spiel und wie üblich in den vergangenen Jahren nahmen die Etelser Spielerinnen das Geschehen in die Hand bzw. auf den Schläger. Nach Querpässen war Claudia Liesau frei und markierte das 1:2, es waren erst 2 Minuten gespielt. Nach einer weiteren Minute 4-Meter-Ball für RKB Frellstedt. Petra Piecha scheiterte, weil flach zu schwach geschossen wurde, nimmt das Spiel nun seinen „gewohnten Lauf“? 2:2 eine gute Minute vor dem Seitenwechsel durch Claudia Liesau nach Superpaß von Anika Müller. Remis zur Pause. Jeder rechnete jetzt in den zweiten 7 Minuten mit RV Etelsen und diese suchten die Entscheidung. Permanenter Druck, eine Serie von Eckbällen, aber alles wurde von der Feldspielerin Petra Piecha oder im Tor von Marina Finster mit mutigen Paraden abgeblockt. Dann die Schlüsselszene. RV Etelsen verursacht 3 Meter vor dem eigenen Tor einen Freischlag, der nicht zwingend nötig war. Mit der Routine einer Klassespielerin täuscht Petra Piecha an, die junge Claudia Liesau reagiert zu früh und macht eine Lücke im Tor, die zum 3:2 genutzt wird, nur noch 90 Sekunden Zeit für RV Etelsen. 40 Sekunden vor Schluss die letzte Chance zum Ausgleich und Verlängerung für Anika Müller, 4-Meter-Ball. Aber ihr Schuss geht so hoch über das Tor, daß der Ball noch heute auf dem Erfurter Domplatz gesucht wird. In den Schlusssekunden wirft Etelsen alles nach vorn und fängt sich mit der Schlusssirene noch das 2:4. Die faire Geste des Spiels: Etelsens Spielerinnen sind die ersten Gratulanten für Petra und Marina, die ihr Glück überhaupt noch nicht fassen können.